Eine neue Studie hat offenbart, wie Risse in der Masse von Grönlands Gletschereis dafür sorgen, dass enorme Mengen von Oberflächenwasser unter das Eis geleitet werden. Das hat wesentliche Auswirkungen auf die Dynamik der Eisdecke.
Die Eisdecke Grönlands, ein riesiger Eiskörper, der etwa 80 % der Insel bedeckt, schmilzt rapide, und trägt somit zum Anstieg des weltweiten Meeresspiegels bei und erhöht auch das Risiko auf die Überschwemmung von Küstengebieten. Laut einer in der Fachzeitschrift „Nature“ veröffentlichten Studie ist Grönland mit einem Verlust von 3,8 Billionen Tonnen Eis zwischen 1992 und 2018 der größte Einzelverursacher des globalen Anstiegs des Meeresspiegels.
Die Forschenden des zu einem Teil durch die EU finanzierten RESPONDER-Projekts (Resolving subglacial properties, hydrological networks and dynamic evolution of ice flow on the Greenland Ice Sheet) haben gezeigt, dass die Eisdecke Grönlands aufgrund von Rissen instabiler wird, die durch Schmelzwasserseen unter der Oberfläche hervorgerufen werden. Das Team führte die Forschung in einem Camp am Store-Gletscher in Nordwestgrönland durch und beobachtete anhand von Drohnen, wie sich ein Riss 500 m tief in das Eis ausdehnte. Im Zuge mehrerer Drohnenflüge dokumentierten die Forschenden den Strömungsweg des Wassers in den Riss und den anschließenden Verlauf unter dem Eis.
Die Studie legte offen, dass etwa 5 Millionen Kubikmeter Wasser (was 2 000 olympischen Schwimmbecken entspricht) in nur fünf Stunden in das Bett der kilometerdicken Grönland-Eisdecke abgelassen wurden – genug, um diese über einen halben Meter anzuheben. Die Erkenntnisse wurden in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences“ veröffentlicht. „Bislang wurde angenommen, dass partielle Entwässerungen langsam durch die Überströmung von Seen stattfinden und einen vergleichsweise geringen dynamischen Einfluss haben. Unsere Erkenntnisse zeigen jedoch, dass die Entwässerung durch hydrologische Rissbildung verursacht werden kann, was zu neuen hydrologischen Verbindungen führt, die der Eisdecke über die gesamte Schmelzsaison kontinuierlich konzentriert Oberflächenschmelzwasser zuführen.“
In einer Pressemitteilung der University of Cambridge wird die Forschung zusammengefasst. „Die Drohnenaufnahmen unterstützen Computermodelle, die von demselben Forschungsteam genutzt werden, und zeigen somit, dass die Entwässerung von Schmelzseen in Grönland in einer Kettenreaktion stattfinden kann. Die neue Studie liefert Erkenntnisse zu den möglichen Auslösern dieser Kettenreaktionen über Seen, die durch bestehende Risse entwässert werden können.”
In derselben Pressemitteilung wird der Erstautor der Studie, Thomas R. Chudley, mit den Worten zitiert: „Möglicherweise haben wir die Auswirkungen dieser Gletscher auf die generelle Instabilität der Eisdecke Grönlands unterschätzt.“ In der Pressemitteilung heißt es weiter, dass Drohnenaufnahmen verwendet würden, „um ,Brennpunkte‘ zu identifizieren, an denen die Eisdecke empfindlich ist.” Weiter heißt es: „Unter Verwendung von Bohrgeräten erforscht das Team jetzt, wie sich das Wasser in dem grundlegenden Drainagesystem ansammelt und wie sich die Eisdecke über die kommenden Jahrzehnte durch die fortschreitende Klimaerwärmung verändern könnte.“
Das Projekt RESPONDER läuft bis September 2021. Das RESPONDER-Team untersucht die Dynamik der Eisdecke Grönlands, um zu verstehen, wie sich physikalische Eigenschaften und hydrologische Netze über Jahreszeiten und über mehrere Jahre entwickeln und wie sich diese Entwicklung auf den Eisstrom auswirkt, wenn Wasser von der Oberfläche in das Bett geleitet wird. Auf der Projektwebsite heißt es: „Durch die Anwendung mehrerer, sich ergänzender Ansätze, die von geophysikalischen Bildgebungsverfahren bis zur direkten Exploration in kilometertiefen Bohrlöchern reichen, sammelt das Projekt einen nie dagewesenen Strom von Beobachtungsdaten von der fundamentalen Umgebung, die selten untersucht wird, aber dafür verantwortlich ist, dass die Gletscher Grönlands schneller als alle anderen Gletscher auf der Welt fließen.“
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