Von der EU unterstützte Forschende vertreten die Meinung, dass die klimawandelbedingt veränderte weltweite Verbreitung von Fledermäusen die Ursache für die jüngsten Krankheitsausbrüche durch Coronaviren sein könnte.
Das Wissenschaftsteam vermutet, dass das für COVID-19 verantwortliche Coronavirus, das derzeit die Welt plagt, wahrscheinlich von Fledermäusen stammt. Fledermäuse gibt es jedoch schon immer – warum also gerade jetzt ein Ausbruch? Eine in der Fachzeitschrift „Science of The Total Environment“ veröffentlichte Studie macht den Klimawandel dafür verantwortlich.
Laut der Studie hat der Klimawandel Veränderungen in der globalen Verteilung der Fledermäuse verursacht. „Die meisten Arten sind darauf angewiesen, dass in einem Gebiet bestimmte Klima- und Umweltbedingungen herrschen. Nur dann kann es ein geeigneter Lebensraum sein“, erklärt der Hauptautor der Studie, Dr. Robert Beyer von der Universität Cambridge und vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung in Deutschland, in einem auf der Website „News Medical Life Sciences“ veröffentlichten Interview. „Verändert der Klimawandel diese Bedingungen, so beginnen sich die geografischen Verbreitungsgebiete der Arten zu verschieben. Das kann dazu führen, dass Arten aus einigen Gebieten verschwinden, während sie sich in anderen ausbreiten können“, so Dr. Beyer, dessen Forschung durch das EU-finanzierte Projekt LocalAdaptation unterstützt wurde.
Das Forschungsteam hat die Gebiete beschrieben, in denen die klimawandelbedingte Ausbreitung neuer Fledermausarten am stärksten zu verzeichnen ist. Dazu zählen Regionen rund um Zentralafrika, vereinzelte Gebiete in Mittel- und Südamerika sowie ein großes Gebiet, das Myanmar, Laos und die südchinesische Provinz Yunnan umfasst. Der letztgenannte Hotspot ist der Ort, an dem SARS-CoV-2 und SARS-CoV-1, jenes Virus, das 2003 für den weltweiten SARS-Ausbruch verantwortlich war, vermutlich ihren Ursprung haben.Verändern sich die geografischen Verbreitungsgebiete von Arten aufgrund des Klimawandels, so kommen die von ihnen übertragenen Viren dem Menschen direkt näher oder sie können auf andere Arten in den eroberten Lebensräumen überspringen. Der Klimawandel beeinflusst die Ausbreitung von Viren außerdem durch höhere Temperaturen, die bei einigen Arten die Viruslast und somit die Wahrscheinlichkeit der Virusübertragung vergrößern. „Höhere Lufttemperaturen können zudem die Hitzetoleranz von Viren erhöhen, was wiederum die Infektionsraten steigen lassen kann, da eines der primären Abwehrsysteme unseres Körpers gegen Infektionskrankheiten die Erhöhung der Körpertemperatur ist“, merkte Dr. Beyer an.
Bei ihrer Untersuchung der Region rund um die südchinesische Provinz Yunnan stellten die Forschenden fest, dass der Klimawandel dort im letzten Jahrhundert zu großflächigen Veränderungen der Region von tropischem Buschland hin zu tropischen Savannen und Laubwäldern geführt hat. Auf diese Weise entstand eine Umgebung, die für viele Fledermausarten geeignet ist und es besiedelten etwa 40 neue Fledermausarten die Region. „Angesichts der Tatsache, dass jede Fledermausart durchschnittlich 2,7 verschiedene Coronavirustypen in sich trägt, entspricht dies einer geschätzten Zunahme in der Größenordnung von 100 fledermausübertragenen Coronaviren“, erläuterte Dr. Beyer. „Dieser Anstieg der Anzahl der Fledermausarten hat wahrscheinlich neue Möglichkeiten der artenübergreifenden Virusübertragung geschaffen, was die Wahrscheinlichkeit einer möglichen Übertragung auf den Menschen erhöht haben dürfte.“
Die durch das Projekt LocalAdaptation (Detecting Local Adaptation with Climate-Informed Spatial Genetic Models) unterstützte Studie unterstreicht den möglichen Zusammenhang zwischen dem Klimawandel und dem Auftreten der beiden SARS-CoV-Viren. Dr. Beyer fasste zusammen: „Unsere Analyse ist der erste Schritt, um den möglichen Beitrag des Klimawandels zu dieser Pandemie bewerten zu können, und nicht der letzte. Allerdings wissen wir mit Sicherheit, dass der Klimawandel die globale Verbreitung von erregerübertragenden Wildtieren maßgeblich verändert und dass diese Veränderungen der Verbreitungsgebiete von Arten eine entscheidende Rolle bei der Übertragung und Evolution gefährlicher Viren spielen können. Daher ist es zweifellos wichtig, die Auswirkungen des Klimawandels auch im Zusammenhang mit neu auftretenden Infektionskrankheiten und der öffentlichen Gesundheit weltweit zu erforschen.“
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