Kosten für Energietechnologie: Wie zuverlässig sind Prognosen?

Einer neuen Studie zufolge wird bei aktuellen Prognosemethoden der technologische Fortschritt in der Energietechnologie unterschätzt. Die prognostizierten Kosten sind folglich höher, als tatsächliche Beobachtungen nahelegen.

Die Vision einer CO2-neutralen, nachhaltigen Globalwirtschaft lässt sich nur durch solide sowie kostenwirksame politische Maßnahmen und Geschäftspläne erreichen. Um solche Strategien konzipieren zu können, brauchen die Expertinnen und Experten verlässliche Schätzwerte zu den zukünftig anfallenden Kosten für jene Technologien, die bei der Energiewende eine zentrale Rolle spielen könnten. Doch der Innovationsprozess ist komplex, vereint verschiedene Akteure und ist demzufolge nur schwer vorherzusagen. Wie zuverlässig sind also Prognosen zu den Kosten von Energietechnologie derzeit?

Auf der Suche nach einer Antwort führten Forschende mit Unterstützung der EU-finanzierten Projekte INNOPATHS, COP21 RIPPLES und 2D4D den ersten systematischen Vergleich verschiedener Prognosen für Technologiekosten durch, die aus experten- und modellgestützten Methoden hervorgegangen waren. Mit Bezug auf verschiedene Zeitpunkte in der Vergangenheit wurden probabilistische Kostenprognosen erstellt und mit den tatsächlich beobachteten Kosten von 2019 verglichen, um die Leistung der einzelnen Prognosemethoden zu analysieren. Die leitende Forscherin Prof. Laura Diaz Anadon von der Universität Cambridge erklärt in einer Pressemitteilung auf „EurekAlert!“: „Nur durch einen derartigen Vergleich bekommen die Forschenden und Analysten die nötigen empirisch belegten Fakten für ihre integrierten Bewertungsmodelle, Kosten-Nutzen-Analysen und ihre politischen Konzeptentwürfe insgesamt.“

In der Studie wurden eine expertengestützte Methode – bestehend aus Sachverständigengutachten oder strukturierten Umfragen unter Sachverständigen – sowie vier modellbasierte Methoden betrachtet, die Kosten entweder als Funktion beim Einsatz oder als Funktion im Zeitverlauf modellierten. Angewandt wurden diese Methoden auf sechs Technologien: Kernenergie, Photovoltaikmodule, Onshore-Windkraft, Offshore-Windkraft, alkalische Brennstoffzellen und Protonen-Austausch-Membran-Elektrolyse-Zellen.Mitautor Dr. Rupert Way von der Universität Oxford erklärt die Ergebnisse wie folgt: „Im Vergleich der Angaben aus experten- und modellgestützten Prognosen mit den beobachteten Kosten von 2019 über einen kurzen Zeitraum (maximal zehn Jahre) ergaben sich bei den modellgestützten wesentlich präzisere Daten als bei den Sachverständigengutachten. In allen vier modellgestützten Ansätzen war der beobachtete Wert mit höherer Wahrscheinlichkeit in der Spanne vom 5. bis zum 95. Perzentil enthalten als bei den Prognosen aus Sachverständigengutachten. Bei den modellgestützten Methoden hatten einige den tatsächlichen Wert von 2019 häufiger getroffen als andere.“ Hauptautorin Dr. Jing Meng vom University College London ergänzt, dass „die Mediane der modellgestützten Prognosen für 2019 für fünf von sechs Technologien näher am 2019 tatsächlich beobachteten Durchschnittswert der Kosten lagen.“

Insgesamt ergab sich jedoch, dass bei allen Methoden der technologische Fortschritt in nahezu allen Technologien unterschätzt wurde. Ein Grund dafür könnte in den strukturellen Veränderungen liegen, die sich aus neuer Klima- und Energiepolitik sowie neuartigen gesellschaftlichen und marktrelevanten Kräften entwickelt haben. „In fünf von sechs analysierten Technologien ergab sich aus den Methoden für 2019 ein prognostizierter Kostenmedian, der höher lag als die 2019 tatsächlich beobachteten Kosten“, so Mitautorin Prof. Elena Verdolini von der Universität Brescia in Italien. „Das lässt darauf schließen, dass die Kostenreduktion schneller vorangeschritten ist, als es durch historische Daten und Sachverständigenmeinungen prognostiziert worden war. Aber ob sich dieses Verhältnis von schnellerem Forstschritt zu den Prognosen in Zukunft ändert oder gleich bleibt, wird sich erst noch zeigen.“

Die Forschungsergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America“ veröffentlicht. Die von INNOPATHS (Innovation pathways, strategies and policies for the Low-Carbon Transition in Europe), COP21 RIPPLES (COP21: Results and Implications for Pathways and Policies for Low Emissions European Societies) und 2D4D (Disruptive Digitalization for Decarbonization) finanzierte Studie hat gezeigt, dass weitere Forschungsarbeiten zum Vergleich der Prognosemethoden für ein breiteres Technologiespektrum nötig sind.

Weitere Informationen:

INNOPATHS-Projektwebsite

COP21 RIPPLES-Projektwebsite

2D4D-Projektwebsite


veröffentlicht: 2021-09-13
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