Im Übereinkommen von Paris wurde ein klares Ziel festgelegt: Um einen Klimawandel mit katastrophalen Folgen zu verhindern, muss Europa so schnell wie möglich den Höchststand an Emissionen erreicht haben und sie anschließend rapide reduzieren. Doch auf welchem Weg das Ziel erreicht werden sollte, ist nicht ganz so klar. Das EU-finanzierte Projekt LOCOMOTION arbeitet an einem hochmodernen integrierten Bewertungsmodell (IAM), an dem sich der Übergang Europas zu einer kohlenstoffarmen Gesellschaft orientieren kann.
Für fundierte Entscheidungen über die am besten geeigneten Optionen hin zu Klimaneutralität brauchen die beteiligten Interessengruppen ein zuverlässiges und praktisches Modellsystem, mit dem sich Machbarkeit, Wirksamkeit, Kosten und Folgen verschiedener politischer Varianten abschätzen lassen.
Das von der spanischen Universität von Valladolid koordinierte Projekt LOCOMOTION (Low-carbon society: an enhanced modelling tool for the transition to sustainability) baut auf dem integrierten Bewertungsmodell aus dem Horizont 2020-Projekt MEDEAS auf. Ein interdisziplinäres Konsortium aus 14 europäischen und japanischen Institutionen ergänzt es mit Datenmanagement, Politik- und Szenarienbewertungen, Messgrößen für Unsicherheit sowie systemdynamischer Modellierung der relevanten energetischen, ökologischen, wirtschaftlichen, sozialen, technologischen und biophysischen Variablen.
Das verbesserte, transparentere Modell heißt WILIAM und basiert auf anderen Modellen wie World6, TIMES, LEAP, GCAM oder C-Roads, zeigt aber eine höhere Detailgenauigkeit und Präzision. Außerdem deckt es geografisch ein größeres Gebiet ab, weil es ein neues global orientiertes, aber multiregional strukturiertes Modell mit sieben Weltregionen und darin den 27 EU-Mitgliedstaaten erschafft.
LOCOMOTION analysiert zudem den Sechsten Sachstandsbericht des Weltklimarats, veröffentlicht dessen erste Ergebnisse in begutachteten Fachjournalen und nimmt an der 25. Vertragsstaatenkonferenz COP des UNFCCC (Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen) teil, um die EU bei ihrer Mitarbeit an großen internationalen wissenschaftlichen Evaluierungen zu unterstützen.
Für vertiefte internationale Zusammenarbeit steht das Projekt im Austausch mit internationalen Fachleuten (u. a. aus den Vereinten Nationen) und beteiligt sich mit Vorträgen an internationalen Foren wie dem Integrated Assessment Consortium.
Wenn das Projekt planmäßig 2023 ausläuft, werden die Projektergebnisse Forschenden wie Modellierungsfachleuten gleichermaßen frei zugänglich sein und als quelloffene Software in Python mit einer umfassenden begleitenden technischen Dokumentation zur Verfügung stehen. Ein zweites Interface, das sich explizit nicht an die Wissenschaft richtet, bietet dann eine nutzungsfreundliche Entscheidungshilfe für politisch Verantwortliche, aber auch Anwendungen für Bildung und soziales Bewusstsein.