Eine neue Studie hat gezeigt, dass die Integration von algebraischer Topologie in Klimamodelle uns helfen könnte, die nächste abrupte Veränderung des Erdklimas vorherzusagen.
Veränderungen des Klimas sind nichts Neues. Im Laufe ihrer 4,5 Milliarden Jahre langen Geschichte hat die Erde vermutlich schon viele abrupte Klimaveränderungen durchlaufen. Treiben menschliche Aktivitäten das Klima des Planeten also auf einen weiteren Kipp-Punkt zu? Derzeitige Klimamodelle können uns darauf leider keine Antwort liefern. Eine neue Studie, die von den EU-finanzierten Projekten TiPES und CloudCT unterstützt wurde, könnte jedoch eine Möglichkeit zur Beantwortung liefern.
Die Studie wurde in der Fachzeitschrift „Chaos“ veröffentlicht und verbindet zwei führende Theorien zum Klimawandel mit Werkzeugen der algebraischen Topologie in einem Modell, das zeigt, dass das Erdklima tatsächlich plötzliche Veränderungen durchläuft. Mit der Analyse könnte bestimmt werden, ob durch die globale Erwärmung unser Klimasystem als Ganzes bald kippt.
Es gibt keine eindeutige wissenschaftliche Aussage, wie Klima sich entwickelt. „Das ist eines der großen ungelösten Rätsel in der Klimaforschung, das wir versuchen zu lösen“, beobachtet der Hauptautor der Studie, Prof. Michael Ghil von der École Normale Supérieure in Paris, Frankreich, in einer Pressemitteilung auf „EurekAlert!“. Die zwei zuvor erwähnten führenden Theorien zum Klimawandel sind die deterministische Chaostheorie von Edward Lorenz und das stochastische Modell der Klimavariabilität von Klaus Hasselmann, der 2021 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Die erste beschreibt anscheinend zufälliges oder unberechenbares Verhalten in Systemen, die deterministischen Gesetzen folgen – ein Beispiel ist der Schmetterlingseffekt –, während die andere auf der Annahme beruht, dass alles fluktuiert, jedoch auf ein Mittel zurückgeht.„2008 haben wir diese zwei Theorien zusammengeführt und gezeigt, dass die Dinge um einiges interessanter werden, wenn man deterministisches Chaos mit stochastischen Störungen verbindet“, meint Prof. Ghil. Die Kombination führte zu einem sogenannten zufälligen Attraktor, der sich mit der Zeit verändert. Die Form des zufälligen Attraktors zu einem bestimmten Zeitpunkt – eine Momentaufnahme – definiert, wie das Klimasystem vermutlich aussehen wird. Die Forschenden sind sich jedoch nicht sicher, wie die zeitlichen Verschiebungen des zufälligen Attraktors zu deuten sind und was der sich wandelnde Pfad für unser Verständnis des Klimas bedeutet. Hier kommt die algebraische Topologie ins Spiel.
Bei der Analyse aus Sicht der algebraischen Topologie betrachteten die Forschenden die Anzahl der Löcher im Klimasystem auf der Grundlage einer relativ einfachen Idee: Wenn sich die geometrischen Formen von zwei Systemen ähneln, dann haben sie die gleiche Anzahl Löcher. Analysen des zufälligen Attraktors des Klimas zeigten nach Angaben in der Pressemitteilung, dass im Laufe der Zeit Löcher entstehen und sich wieder schließen. Das deutet darauf hin, dass das Klimasystem anscheinend augenblickliche Verschiebungen zwischen unterschiedlichen Klimaregimes durchläuft. Das wiederum weist darauf hin, dass es in der Natur des Erdklimas liegt, die von uns Kipp-Punkt genannten abrupten Übergänge zu erleben.
„Das ist eine recht solide Methode, kritische Bedingungen in sehr komplexen Situationen zu bestimmen“, meint Prof. Ghil in Bezug auf die Verwendung von Werkzeugen algebraischer Topologie als Hilfe bei der Prognose eines Kipp-Punktes des Klimas. „Ich denke also, dass es möglich sein sollte, mit diesen Werkzeugen Übergänge in einem so komplexen System wie dem Klimasystem vorherzusagen.“
Das Projekt TiPES (Tipping Points in the Earth System) wird von der Universität Kopenhagen in Dänemark koordiniert und läuft bis Ende August 2023. Das 6-jährige Projekt CloudCT (Climate CT- Cloud Tomography by Satellites for Better Climate Prediction) endet im Juli 2025.
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