Laut einer neuen Studie hat die massive Bevölkerungsverschiebung in städtische Räume in China einen positiven Einfluss auf die Kohlenstoffbestände des Landes – Verstädterung könnte also ein Faktor für die Verringerung von CO2-Emissionen sein.
Seit Jahrzehnten ist China geprägt von einer enormen Verstädterung. Wälder werden gerodet, damit Städte errichtet werden können. Bislang wurde angenommen, dass so der darin gespeicherte Kohlenstoff freigesetzt wird und Treibhausgasemissionen erhöht werden. Das ist jedoch nicht der Fall, wie in einer aktuellen von einem internationalen Forschungsteam durchgeführten Studie gezeigt wurde. Das von den EU-finanzierten Projekten TOFDRY und CabaKarst unterstützte Team fand heraus, dass die massive Abwanderung der Bevölkerung aus ländlichen in städtische Gebiete in China entgegen der verbreiteten Meinung einen positiven Einfluss auf die Kohlenstoffbestände im Land hat. Diese Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Nature Sustainability“ veröffentlicht.
Die Forschenden nutzten Fernerkundungstechnologie und zeigten, dass mindestens zwei Jahrzehnte der Verstädterung zu einer Zunahme der Biomasse- und Kohlenstoffbestände in Chinas ländlichen Räumen und neu erbauten Städten geführt haben. Zwischen 2002 und 2010 kam es zunächst zwar zu einer Freisetzung von 20 Millionen Tonnen Kohlenstoff aus oberirdischer Biomasse, bis 2019 jedoch nahm die Gesamtmenge des in Stadtgebieten gespeicherten Kohlenstoffs um 30 Millionen Tonnen zu – durch die Begrünung der Städte. „Mithilfe umweltorientierter politischer Initiativen wurde der durch städtisches Wachstum in der ersten Hälfte des Zeitraums verursachte Kohlenstoffverlust kompensiert und insgesamt ein Ausgleichseffekt erzielt. Tatsächlich wurde ein leichter Überschuss in der Klimabilanz erreicht“, sagt Xiaoxin Zhang, Hauptautorin und Doktorandin an der Universität Kopenhagen (UCPH), Dänemark, der Koordinatorin der Projekte TOFDRY und CabaKarst, in einer auf „ScienceDaily“ veröffentlichten Pressemitteilung.Im Zuge von Chinas Aufforstungsstrategie wurden in den letzten Jahrzehnten Milliarden von Bäumen gepflanzt – das ist jedoch nicht der einzige Grund für diesen Überschuss. „Durch die Abwanderung in dicht besiedelte städtische Gebiete werden große Flächen Land nicht mehr genutzt. Dadurch kann die natürliche Vegetation wachsen und Kohlenstoff absorbieren. Gleichzeitig sind durch die Abnahme der Bevölkerung auf dem Land dort Räume entstanden, in denen neue Bäume gepflanzt werden können“, erklärt Dr. Xiaowei Tong von der UCPH.
Auch in den Städten Chinas wurde der Baumbestand in den letzten zehn Jahren vergrößert. „In China mag vieles angeprangert werden können, doch bei der Einbeziehung von Grünflächen in die Stadtplanung ist das Land sehr fortschrittlich. Die Zunahme von Kohlenstoffsenken in städtischen Gebieten in den letzten Jahren ist sehr wahrscheinlich das Ergebnis aktiver Stadtbegrünungspolitik. So wird das durch die Rodung von Bäumen und Pflanzen für die Stadtentwicklung freigesetzte CO2 kompensiert“, sagt der Mitautor der Studie, Prof. Rasmus Fensholt von der UCPH. Er fügt hinzu, dass „Verstädterung ein wesentlicher Baustein einer Lösung zur Verringerung von CO2-Emissionen sein kann, wenn die Stadtentwicklung ausreichend grün konzipiert wird“.
Die von den Projekten TOFDRY (Trees outside forests in global drylands) und CabaKarst (Between degradation and conservation: The carbon balance of the Chinese karst ecosystem) unterstützte Studie warnt jedoch davor, dass die derzeitigen Anstrengungen nicht ausreichen, um das Ziel Chinas, bis 2060 klimaneutral zu sein, zu erreichen. „Bäume können nur eine begrenzte Menge CO2 über einen begrenzten Zeitraum aufnehmen. Ein ausgewachsener Wald absorbiert irgendwann keinen Kohlenstoff mehr. Klimaneutral kann China somit durch das Pflanzen neuer Bäume allein nicht werden. Das Land muss daher unbedingt die Emissionen aus fossilen Brennstoffen drastisch reduzieren. Dennoch zeigt unsere Studie einen Faktor auf, der den grünen Wandel Chinas anstößt“, stellt Prof. Fensholt abschließend fest.
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