Vergangene globale Erwärmung bietet Einblicke in das Leben und Absterben von Kaltwasserkorallen

Wie wird es Korallen in den Tiefen des Ozeans in Zukunft ergehen? Rückstände der letzten großen globalen Erwärmung vor tausenden Jahren liefern einen Hinweis.

Kaltwasserkorallen sind ein wichtiger Bestandteil des Tiefseeökosystems. Sie bieten viele verschiedenen Kreaturen eine Heimat, regulieren die Nahrungsnetzstruktur und den Nährstoffkreislauf und sie unterstützen die biologische Vielfalt im Ozean. Doch diese wichtigen Organismen gelten als anfällig für Bedrohungen durch den Klimawandel. Tatsächlich wird erwartet, dass sie durch die Meereserwärmung, Desoxygenierung, Übersäuerung, Nahrungserschöpfung und andere zukünftige Umweltveränderungen der Ozeane stark beeinflusst werden.

Doch trotz der überwältigenden Beweise für den Klimawandel wurde noch kein Aussterben eines Ökosystems mit Kaltwasserkorallen dokumentiert. Das führt zu der Frage: Wie werden Kaltwasserkorallen auf zukünftige Umweltveränderungen reagieren? Ein Forschungsteam hat erkannt, wie wichtig dieses Wissen für ihren Schutz ist, und hat mit Unterstützung der EU-finanzierten Projekte ATLAS und iAtlantic antike Nachweise vergangener Klimaveränderungen aus Meeressedimenten analysiert.

Sie wollten die zentralen physikalischen und chemischen Parameter bestimmen, die über das Leben und den Tod von Kaltwasserkorallen in einer speziellen Region entscheiden. Daher erstellten sie die erste umfassende Datenbank mit paläoökologischen Parametern, die vermutlich die Entwicklung dieser Korallen in den vergangenen 20 000 Jahren steuerten. „Dieser Zeitraum umfasst die letzte bedeutende globale Erwärmung, die mit dem Übergang von der letzten Eiszeit zur aktuellen interglazialen Periode in Verbindung gebracht wird. Dieser Übergang zeichnet sich durch einen Anstieg des Meeresspiegels um etwa 120 m und eine enorme Reorganisation des ozeanisch-atmosphärischen Systems aus“, schreiben die Forschenden in ihrer Studie, die in der Fachzeitschrift „PLOS Biology“ veröffentlicht wurde.

Um einzuschätzen, wie sich verändernde paläoökologische Bedingungen die Entwicklung von Ökosystemen mit Kaltwasserkorallen beeinflusst haben, sammelte das Team Meeressedimente von sechs Standorten dieser Korallen im Nordatlantik und Mittelmeer, die wenigstens einen großen Umbruch des Korallenwachstums durchlaufen haben. Mit diesen Sedimenten haben sie die Meeresbedingungen rekonstruiert und das Vorkommen der häufigen Korallenart Lophelia pertusa im Laufe der letzten 20 000 Jahre kartiert.Die Analyse ergab, dass in diesem Zeitraum Veränderungen der Nahrungsquelle – entweder lateral durch turbulente Strömungen am Meeresboden oder vertikal aus flacheren Gewässern – die größten Auswirkungen auf die Lebenskraft der L. pertusa hatten. Auch ein geringer Sauerstoffgehalt am Meeresboden scheint ein zusätzlicher Stressfaktor zu sein. Interessanterweise führten weder die Meerestemperatur noch der Salzgehalt zu bedeutenden Veränderungen der Verbreitung oder des Absterbens der L. pertusa.

„Die Spuren im Meeressediment aus dem Nordatlantik und dem Mittelmeer zeigen, dass das Wachstum und Absterben von Kaltwasserkorallen aufgrund von klimatischen Veränderungen im Laufe der vergangenen 20 000 Jahre hauptsächlich durch die Nahrungsquellen ausgelöst wurde. Diese werden von der Verbreitung andernorts und der turbulenten Hydrodynamik gesteuert und nicht durch Veränderungen der Wassertemperatur am Meeresboden“, bestätigt der Hauptautor der Studie, Dr. Rodrigo da Costa Portilho-Ramos von der Universität Bremen, einem Projektpartner von ATLAS (A Trans-AtLantic Assessment and deep-water ecosystem-based Spatial management plan for Europe) und iAtlantic (Integrated Assessment of Atlantic Marine Ecosystems in Space and Time), in einer Pressemitteilung auf „EurekAlert!“. Was könnte also das Leben und Sterben der Kaltwasserkorallen in den kommenden Jahrzehnten bestimmen? Die Antwort liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit in klimainduzierten Veränderungen der Ozeanprozesse, die sich auf die Nahrungsquellen auswirken.

Weitere Informationen:

ATLAS Projektwebsite

iAtlantic Projektwebsite


veröffentlicht: 2022-09-22
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