Die Europäische Organisation für Kernforschung (CERN) gab den Gewinnerbeitrag des Wettbewerbs „Mining the Future“ bekannt, der zur Förderung innovativer Ideen für die Weiterverwendung ausgehobenen Molassematerials veranstaltet wurde.
Im Rahmen der geplanten Aufrüstung des CERN-Teilchenbeschleunigerkomplexes beschäftigt sich die Organisation mit dem Bau eines neuen, 100 Kilometer langen, kreisförmigen Teilchenbeschleunigers entlang der Grenze von Frankreich und der Schweiz. Der Bau dieses Teilchenbeschleunigers und der damit verbundenen Infrastruktur in einem Komplex von Tunneln, Nischen und Höhlen, die 200 bis 300 Meter unter der Erde liegen, wird in etwa 9 Millionen Kubikmetern Aushubmaterial, hauptsächliche Molasse, resultieren. Wie lässt sich verhindern, dass all das Material auf Deponien landet?
Vor dem Hintergrund der Kreislaufwirtschaft – und mit der Unterstützung durch das EU-finanzierte Projekt FCCIS – riefen das CERN, die Kooperation Future Circular Collider und die österreichische Universität Leoben am 21. Mai 2021 den Wettbewerb „Mining the Future“ ins Leben. Das Ziel des Wettbewerbs war es, geeignete Lösungen für die Weiterverwendung ausgehobenen Molassematerials zu finden.
In der ersten Phase des Wettbewerbs wurden durch Konsortien bestehend aus akademischen und industriellen Partnern 12 belastbare Vorschläge eingereicht, die der Erforschung von Möglichkeiten zur Weiterverwendung dieser Materialien gewidmet waren. Diese Vorschläge wurden durch ein Gremium weltweit renommierter Sachverständiger geprüft, welche die technische Ausgereiftheit, das Innovationspotenzial und die sozioökonomischen Auswirkungen der vorgeschlagenen Lösungen berücksichtigten.Als Ergebnis der erneuten Prüfung wurden vier Vorschläge in die engere Auswahl genommen. Der Gewinnerbeitrag wurde auf der Preiszeremonie bekanntgegeben, die am 27. September 2022 im „Globe of Science and Innovation“-Gebäude des CERN in Meyrin, Schweiz, stattfand. Der siegreiche Vorschlag „Molasse is the new ore“ (Molasse ist das neue Erz) wird mit bis zu 40 000 EUR für zukünftige Forschungs- und Entwicklungsarbeit und für einen Geschäftsplan zur Vermarktung der Technologie ausgestattet. Der durch ein Konsortium unter der Leitung von BG Ingénieurs Conseils (Schweiz) eingereichte Vorschlag geht die Herausforderung an, die mit der Identifizierung von Molasse-basiertem Material für die zukünftige Verwertung verbunden ist.
Die vorgeschlagene Lösung wird folgendermaßen beschrieben: „Unter Berücksichtigung der Aushubgeschwindigkeit des aus Sand, Schlick und Lehm bestehenden Materials und der Erfordernis, das Material möglichst weit vorgelagert entsprechend der verschiedenen Kriterien zu trennen, muss eine Online-Flussanalyse eingerichtet werden. Danach landet der Aushub in einer Zwischenplattform mit speziellen Vorrichtungen. Das bis dahin gelagerte Material passiert anschließend ein Online-Analysegerät, das auf dem Förderband der Verarbeitungsanlage installiert ist, was die unverzügliche Identifizierung des Aushubs anhand seiner petrografischen Charakteristika ermöglicht.“
Unter den anderen drei in der engeren Auswahl befindlichen eingereichten Vorschlägen war eine Lösung von Amberg und den Konsortiumspartnern für die Sortierung, Identifizierung und Zerkleinerung der ausgegrabenen heterogenen Molasse in Materialien mit einer bekannten Zusammensetzung zur Verwendung bei zukünftigen Vorhaben. Der zweite Vorschlag von Briques Technic Concept und Partnern beschäftigt sich mit der Rückgewinnung und Weiterverwendung von 300 000 Kubikmetern Molasse zur Weiterverarbeitung zu Mauersteinen aus Roherdmaterial, die für den Bau von tragenden Mauern auf einer Fläche von 1 Million Quadratmetern genutzt werden können. Der letzte Vorschlag eines Konsortiums unter der Leitung von Edaphos beschäftigt sich mit der Verarbeitung von Molasse, die normalerweise auf der Deponie landet, zu kulturerdeähnlichem Material unter Verwendung eines Prozesses mit der Bezeichnung „Soil Formulation“.
Die während des Wettbewerbs mit der Unterstützung durch FCCIS (Future Circular Collider Innovation Study) vorgestellten nachhaltigen Lösungen sind nicht auf Bauvorhaben im Zusammenhang mit zukünftigen CERN-Teilchenbeschleunigern beschränkt. Laut Dr. Johannes Gutleber, der zum Führungspersonal des CERN zählt, könnten diese Lösungen Anwendung bei anderen Tunnel- und Tiefbauvorhaben finden. Dr. Gutleber, auf den die Idee zu diesem Wettbewerb zurückgeht, schlussfolgert in einer aktuellen Pressemitteilung: „Das CERN hat eine lange Erfolgsgeschichte als Pionier für technische Lösungen, die in Bereichen außerhalb seines eigentlichen wissenschaftlichen Auftrags sinnvoll zum Einsatz kommen.“
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