Hat der berühmte niederländische Maler Rembrandt Ölfarbe auf Bleibasis verwendet?

Eine neue Studie beschreibt die unerwartete Entdeckung einer Bleiverbindung in Rembrandts „Die Nachtwache“ und wirft Fragen über den Ursprung der Verbindung auf.

Forschende haben in Rembrandts Meisterwerk „Die Nachtwache“ eine ungewöhnliche Bleiverbindung namens Bleiformiat festgestellt. In einer in der Fachzeitschrift „Angewandte Chemie International Edition“ veröffentlichten Studie wird diese beispiellose Entdeckung beschrieben, die neue Hinweise auf die Geschichte des Gemäldes und seinen Erhaltungszustand gibt.

„Die Nachtwache“, das berühmteste Werk Rembrandts, wurde 1642 vollendet und ist das größte erhaltene Kunstwerk, das er je geschaffen hat. Heute ist es im Rijksmuseum in Amsterdam ausgestellt. Im Jahr 2019 hat sich ein internationales Forschungsteam zu „Operation Nachtwache“ zusammengeschlossen, dem größten Forschungs- und Erhaltungsprojekt, das jemals für dieses Meisterwerk durchgeführt wurde. Mit Unterstützung der EU-finanzierten Projekte ParisRegionFP, InnovaXN, STREAMLINE und CALIPSOplus suchte das Team nach Antworten auf die Frage, wie der Künstler „Die Nachtwache“ gemalt hat, in welchem Zustand sich das Gemälde befindet und wie es am besten für künftige Generationen erhalten bleiben kann.Mithilfe von Röntgenpulverdiffraktometrie und Infrarotmikroskopie konnte das Team Bleiformiat an mehreren Stellen des Gemäldes nachweisen. Damit ist diese Verbindung erstmals in historischen Ölfarben nachgewiesen worden. „In Gemälden wurden Bleiformiate lediglich ein einziges Mal im Jahr 2020 gemeldet, allerdings in Modellgemälden (Attrappen, frische Farben). Und siehe da: Wir erkennen nicht nur Bleiformiate, sondern wir finden sie auch in Bereichen, in denen es kein Bleipigment gibt, also weder weiß noch gelb“, bemerkt der Erstautor der Studie, Dr. Victor Gonzalez vom CALIPSOplus-Projektpartner CNRS (Nationales Zentrum für wissenschaftliche Forschung) in Frankreich, in einer auf „ScienceDaily“ veröffentlichten Pressemitteilung. „Wir vermuten, dass sie wahrscheinlich schnell verschwinden, deshalb wurden sie in Gemälden alter Meister bisher nicht festgestellt“, erklärt der CNRS-Forscher.

Hat Rembrandt also Ölfarbe auf Bleibasis verwendet? Laut der wissenschaftlichen Leiterin des Rijksmuseums und Hauptautorin der Studie, Prof. Katrien Keune, liefert das Vorhandensein von Bleiformiat in dem Gemälde wertvolle Erkenntnisse darüber sowie über „die möglichen Auswirkungen von Öllacken aus früheren Restaurierungen und die komplexe Chemie historischer Ölgemälde“.

Um mehr über die Herkunft der Bleiverbindung, Rembrandts Atelierrezepte und die in den alten Farbschichten aktiven chemischen Mechanismen herauszufinden, analysierte das Team Fragmente des Meisterwerks sowie Modellproben, welche die Rezepturen des Malers nachahmen. Zur Herstellung der Modellproben stellten sie die Hypothese auf, dass Rembrandt ein organisches Bindemittel (Leinöl) einsetzte, das Bleioxid enthielt, eine alkalische Bleiverbindung, die von niederländischen Künstlern des 17. Jahrhunderts häufig als Öltrocknungsmittel genutzt wurde.

Die Mitautorin der Studie, Dr. Marine Cotte, Wissenschaftlerin bei InnovaXN und Koordinatorin des Projekts STREAMLINE sowie CALIPSOplus-Projektpartnerin an der Europäischen Synchrotronstrahlungsanlage (ESRF) in Frankreich, erklärt dazu: „Dank der einzigartigen analytischen Leistung der ESRF, der hellsten Synchrotronlichtquelle der Welt, konnten wir das Vorhandensein von Formiaten im Mikrometermaßstab kartieren und ihre Bildung im Laufe der Zeit verfolgen.“ Durch die Beobachtungen waren die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der Lage, neue Hypothesen über die chemischen Bedingungen der In-situ-Kristallisation der Verbindungen in alten Farbschichten aufzustellen.

Als Nächstes strebt das Team an, den Ursprung dieser Formiate zu untersuchen, um festzustellen, ob sie möglicherweise aus früheren Restaurierungen stammen. Das Projekt ParisRegionFP (Paris Region Fellowship Programme) endet im Jahr 2025. InnovaXN (Doctoral programme for innovators with X-rays and neutrons) und STREAMLINE (Sustainable research at micro and nano X-ray beamlines) enden 2024. CALIPSOplus (Convenient Access to Light Sources Open to Innovation, Science and to the World) endete 2021.

Weitere Informationen:

ParisRegionFP-Projektwebsite

InnovaXN-Projektwebsite

STREAMLINE-Projektwebsite

CALIPSOplus-Projektwebsite


veröffentlicht: 2023-02-28
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