Zu bestimmten Zeiten des Tages verbrauchen wir mehr Strom. Zur Deckung dieser Bedarfsspitzen passen Wasserkraftwerke die Menge an Elektrizität, die sie produzieren, entsprechend an. Während sie dies tun, ändert sich der Fluss des Wassers im Bereich nach dem Wasserkraftwerk sehr schnell. Diese unnatürlichen Schwankungen werden Schwallbetrieb genannt und sind voraussichtlich der Grund für den Rückgang des Bestandes an Süßwasserfischen in von Kraftwerken aus stromabwärts gelegenen Flussabschnitten. Einige Studien haben zwar Lösungen vorgeschlagen, die den der Familie der Lachse angehörigen Fischen zugutekommen sollen, allerdings ist nicht bekannt, wie sich diese Abhilfemaßnahmen auf andere Fischfamilien auswirken.Eine
Studie, die in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift „PLOS ONE“ erschien, bemühte sich darum, diese Wissenslücke zu schließen. Mit Unterstützung durch das EU-finanzierte Projekt FIThydro (Fishfriendly Innovative Technologies for Hydropower) beschäftigten sich die an der Studie beteiligten Forscher damit, wie ein Mitglied der Familie der Karpfenfische, die Iberische Barbe (Luciobarbus bocagei), von den raschen Veränderungen in ihrem Umfeld beeinflusst wird. „Diese Fische sind ein maßgeblicher Indikator für die ökologische Integrität auf der Iberischen Halbinsel und in vielen anderen europäischen Flüssen. Die Funktionsweise von Wasserkraftanlagen sowie die durch den Klimawandel verursachte Verunsicherung erfordern, dass wir damit beginnen, die Auswirkungen, die diese rasch eintretenden Veränderungen mit sich bringen, aus ‚der Fischperspektive‘ zu betrachten“, erklärte die Erstautorin und Forschungsbiologin an der Universität Lissabon Maria João Costa in einer
Pressemitteilung, die auf EurekAlert! veröffentlicht wurde.Hindernisparcours in simulierten FlüssenBei der Studie bildeten die Wissenschaftler mittels einer Wasserrinne in einem geschlossenen Raum die Bedingungen nach, die bei Schwallbetrieb und Niedrigwasserstand gegeben sind. Dabei variierten sie Strömungsstärke und Wassertiefen. Zudem wurden Hindernisse, genauer gesagt massive dreieckige Pyramiden sowie v-förmige Strukturen, eingefügt und wieder entfernt, um zu sehen, wie sich Iberische Barben bei unterschiedlichen Gegebenheiten verhielten. Um die Reaktion der Fische auf den Schwallbetrieb zu analysieren, bestimmte das Projektteam deren Glukose- und Laktatwerte, welche Aufschluss über ihren Stresslevel geben. Ebenso beobachteten sie, wie sich die Barbe bei Anwesenheit (bzw. Abwesenheit) von Hindernissen bewegte und welche Veränderungen in ihrem Verhalten bei Höchstwasserstand auftraten. Die Projektmitglieder stellten fest, dass die Fische in der Lage waren, sich unverzüglich an plötzlich veränderte Strömungsbedingungen anzupassen und zwar unabhängig davon, ob sie alleine oder in Gruppen unterwegs waren. In der gleichen Pressemitteilung sagte Mitverfasser Jeffrey Tuhtan von der ebenfalls am Projekt beteiligten Technischen Universität Tallinn: „Die Erkenntnisse legen nahe, dass die Fische bestimmte Muster, die von den Hindernissen ausgehen, in der Strömung erspüren und dann sogar bei extremen und raschen Veränderungen in ihrer Umwelt energetisch günstige Positionen finden können.“Eine wesentliche Schwierigkeit bei der Untersuchung der Reaktion von Fischen auf schnelle Strömungsschwankungen ist die Zuordnung einer Verhaltensänderung zu bestimmten Bedingungen in der Strömung. Um dieses Problem zu lösen setzten die Forscher einen technischen Sensor ein, der dem Seitenlinienorgan nachempfunden ist und somit die Prinzipien des mechanosensorischen Systems von Fischen anwendet. Fische nehmen ihre Umgebung über ihre Innenohre und das Seitenlinienorgan wahr. Letzteres besteht aus einer Aneinanderreihung von Sinneszellen entlang des Körpers, die es dem Fisch ermöglichen, Bewegungen und Druckänderungen im ihn umgebenden Wasser zu erfassen. Der neuartige Ansatz der Studie beinhaltete mit dieser vom Fisch inspirierten Sensortechnologie also eine Kombination biologischer Beobachtungen von Fischen, die alleine oder in Gruppen schwimmen.Prof. Antonio Pinheiro von der Universität Lissabon, der auch zu den Verfassern der Studie gehört, sieht in der Erforschung der sehr gut ausgebildeten Wahrnehmungsfähigkeiten von Fischen, die jene dazu befähigen, auf rasche Veränderungen in ihrer Umgebung zu reagieren, ein Instrument, das Wissenschaftler bei der Vorbereitung auf den Klimawandel einsetzen können. FIThydro wird weiterhin nach Umweltlösungen suchen, bei denen keine Fischpopulationen zu Schaden kommen. Das Projekt wird im Jahr 2020 enden.Weitere Informationen:
Projektwebseite von FIThydro